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Pressemitteilung – 1. November 2023

Weg zur Chancengleichheit bleibt Gemeinschaftsaufgabe

Großen Themen wie Kita-Krise, Kinderarmut und häusliche Gewalt widmete sich kürzlich der diesjährige Female Future Force Day in Berlin. Bei der Podiumsdiskussion stellte sich unter anderem Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/DIE Grünen) den Fragen. Für die Stadt Delmenhorst war Gleichstellungsbeauftragte Darja Petrosjan in der Bundeshauptstadt vertreten.

„Im Rahmen der Podiumsdiskussionen wurden Themen behandelt, die meine Arbeit und damit auch die Delmenhorsterinnen und Delmenhorster direkt betreffen“, sagt Gleichstellungsbeauftragte Petrosjan.

Insbesondere die prekäre Situation von Alleinerziehenden wurde hervorgehoben und die bisher mangelnde finanzielle Wertschätzung von Sorgearbeit. Ferner wurde kritisiert, dass das Elterngeld seit seiner Einführung vor 16 Jahren nicht erhöht wurde, obwohl dies im aktuellen Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Da das Elterngeld bisher nicht an die Inflation angepasst wurde, kann in diesem Zusammenhang sogar von einer schleichenden Kürzung gesprochen werden.

Die französische Politologin Emilia Roig sprach an anderer Stelle darüber, warum Liebesbeziehungen politisch sind und keinesfalls eine Privatsache. Roig machte deutlich, dass „Liebe als privat zu bezeichnen auch eine Funktion erfüllt.“ Hierdurch soll suggeriert werden, dass ein Eingreifen verboten sei, welches die herrschenden patriarchalen Strukturen dieser Gesellschaft stärkt.

In Bezug auf das Thema häusliche Gewalt sei ein Abschieben der Verantwortung seitens der Politik erkennbar. Es entstünde der Eindruck, dass der Anstieg der Fallzahlen an häuslicher Gewalt hingenommen werde und noch nicht ausreichend zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen unternommen wird. Hierfür sei Deutschland übrigens erst vor einem Jahr vom Europarat gerügt worden. Noch immer würden deutschlandweit Frauenhausplätze und Beratungsstellen fehlen beziehungsweise seien sie zudem sehr ungleich verteilt. Dort, wo es sie gibt, müssen Frauen oftmals mit langer Wartezeit rechnen.

In dem Zusammenhang wurde die gesellschaftliche Annahme hinterfragt, eine Heirat biete Sicherheit für Frauen. Die meisten Gewalttaten passieren in Ehen und Lebenspartnerschaften. Inwiefern hier von Sicherheit gesprochen werden kann, sei fraglich. Auch die Steuervorteile, die sich durch eine Ehe ergeben, begünstigen in den meisten Fällen Männer in Vollzeitbeschäftigung, aber nicht die Frauen, die die Sorgearbeit übernehmen und dafür ihre Arbeitszeit reduzieren. Die Vorstellung darüber, dass eine Frau nur durch Heirat und Mutterschaft ihre Vollständigkeit erlangt, wie es zum Beispiel in Filmen und Märchen vermittelt wird, gelte es ebenfalls zu überdenken.

In einer weiteren Runde von Expertinnen und Experten wurde über Klassismus als Diskriminierungsform gesprochen. Obwohl die soziale Herkunft maßgeblichen Einfluss auf die Chancengleichheit hat, wird sie in Bezug auf Diversität oftmals noch ausgeblendet. Vielmehr werden Klassenunterschiede durch bestehende Strukturen sogar verstärkt. Es wurde außerdem darauf hingewiesen, dass Rassismus und Klassismus oft miteinander einhergehen und sich so die Diskriminierungserfahrungen von Betroffenen verstärken. Diesbezüglich zeigen auch diverse Statistiken auf, dass insbesondere alleinerziehende Mütter und Frauen im Rentenalter nicht nur von Armut, sondern damit einhergehend auch von Klassismus betroffen sind.

Auf der Veranstaltung wurde deutlich, dass die Gesellschaft sich in einer Transformation befindet, in einem Prozess des Aushandelns, dessen Ende noch nicht vorauszusehen ist. Dabei ist wichtig, dass es nicht immer die Betroffenen sein müssen, die auf Benachteiligungen oder strukturelle Diskriminierung aufmerksam machen, sondern ebenso Dritte.

Neben der Delmenhorster Gleichstellungsbeauftragten Darja Petrosjan nahm auch Amtskollegin Maren Ozanna aus dem Landkreis Wesermarsch am Female Future Force Day 2023 des Medienunternehmens Edition F teil. Laut Fachleuten gehört das Unternehmen zu den wichtigsten Stimmen in der deutschen Medienlandschaft, insbesondere wenn es um Frauen und Gleichberechtigung geht.

„Eine großartige Veranstaltung, die mit vielen wertvollen Meinungen von Expertinnen und Experten sowie unterschiedliche Perspektiven auf die Gleichstellung verdeutlichte, wie wichtig es ist, Gleichstellung intersektional zu betrachten, Betroffenen zuzuhören und die für uns selbstverständlichen Strukturen zu hinterfragen“, bilanziert Darja Petrosjan.


Nr. 370|23 – Gleichstellungsstelle der Stadt Delmenhorst

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