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Pressemitteilung – 11. November 2021

Ausstellungseröffnung: 60 Jahre Kunst im Haus Coburg

„Unsere Stadt hat ihr Herz entdeckt.“ So kommentierte der damalige Kulturdezernent Berthold von Seebach das Haus Coburg als neuen Ausstellungsort in der Stadt Delmenhorst. Vorangegangen war am 4. November 1961 ein großes Ereignis: Dr. Hermann Coburg öffnete zum ersten Mal die Türen der „galerie pro arte“. Er präsentierte mit Fritz Stuckenberg einen im Nationalsozialismus diffamierten Künstler, der 1944 gestorben war und das neu einsetzende Interesse an seiner vielseitigen künstlerischen Praxis nicht mehr erlebte.

Die „galerie pro arte“ befand sich im ersten Stock der Villa, und dort zeigte Hermann Coburg in den nächsten zehn Jahren professionelle Ausstellungen vor allem abstrakter, zeitgenössischer Kunst. Heute noch widmet sich das Haus Coburg der Gegenwartskunst und ermöglicht in konzentrierten Einzelausstellungen jungen künstlerischen Positionen den oft ersten repräsentativen Auftritt. Darüber hinaus reflektieren Sonderausstellungen gesellschaftlich relevante Themen.

Dass im Haus Coburg auch eine städtische Kunstsammlung entsteht, ist oft nicht im Fokus der Aufmerksamkeit. Der 60. Jahrestag der „galerie pro arte“ ist nun der Anlass, die Geschichte der Städtischen Galerie in Delmenhorst Revue passieren zu lassen und die gesamte Ausstellungsfläche mit Sammlungswerken zu füllen: von Arthur Fitger bis Fredrik Værslev.

Die Existenz der Galerie war bereits 1961 für den Kulturdezernenten Berthold von Seebach ein Beweis für ein „echtes Bedürfnis nach Kunstbetrachtung. Auch ein Beweis des Willens zu eigenem Kulturleben in Delmenhorst.“ Das hatte er bei der Eröffnung des Hauses erklärt.

Tatsächlich engagierte sich die Familie Coburg schon seit der Fertigstellung ihrer Villa im Jahr 1905 für die Kultur in der Stadt. Vor allem Konzertabende standen regelmäßig auf dem Programm, bildete doch der Hausherr selbst mit den Oldenburger Kammermusikern Wilhelm Kufferath und Heinrich Düsterbehn das „Trio Coburgini“. Sein Sohn, Hermann Coburg junior, führte diese Tradition fort, als er 1934 die Praxis seines Vaters übernahm. Er hatte sein Medizinstudium in den Kulturmetropolen Berlin, Wien und München absolviert, lebte anschließend fünf Jahre in New York, bevor er sich als Arzt in Delmenhorst niederließ.

In der Nachkriegszeit kämpften viele Ausstellungshäuser in Deutschland mit Gebäudeschäden und Werkverlusten. Der erste große Auftritt für zeitgenössische Kunst bot sich in der Bundesrepublik 1955 in den Kriegsruinen Kassels, wo die erste documenta zum Rahmenprogramm einer Bundesgartenschau beitrug. Die private Galerie in Delmenhorst war in dieser Zeit nicht nur ein großer Gewinn für das Publikum, sie war auch ein wichtiger Ort für Künstlerinnen und Künstler, um mit ihren Werken an die Öffentlichkeit zu treten.

1971, Delmenhorst feierte gerade 600 Jahre Stadtrecht, beendetet Hermann Coburg seine privaten Ausstellungstätigkeiten und überließ es der Stadt, über die Zukunft des Hauses zu entscheiden. Ausführlich diskutierte der Kulturausschuss am 27. Juni 1973 im großen Sitzungssaal des Ratshauses über die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der inzwischen von der Stadt erworbenen Villa. „Im Haus Coburg geht es darum, eine Heimstätte für die bildende Kunst zu finden“, erklärte Amtsleiter Dr. Hans Stephan. Der damalige Bürgermeister Harald Groth vertrat den Standpunkt, dass das Haus Coburg nicht nur der bildenden Kunst dienen könne, es müsse auch Kommunikationszentrum sein. „Es müsste auch möglich sein, im Kellergeschoß einen Beat-Raum einzurichten.“ Verschiedene Optionen wurden durchgespielt, bis sich die Idee einer Städtischen Galerie durchsetzte.

Unter dem Titel „Profitopolis oder der Mensch braucht eine andere Stadt“ eröffnete am 17. Mai 1974 die erste Ausstellung in der Städtischen Galerie mit dem Thema der wachsenden Kommerzialisierung von urbanem Raum. Ein Startpunkt, bei dem gleich klar wurde, dass es sowohl um Kulturgenuss als auch um aktuelle gesellschaftliche Diskussionen gehen sollte.

Während er in seinem Ausstellungsprogramm die internationale Ausrichtung von Hermann Coburg durchaus fortsetzte, legte Dr. Hans Stephan, erster Leiter der Städtischen Galerie, seinen Sammlungsschwerpunkt auf regionale Künstlerinnen und Künstler. Vor allem bemühte er sich darum, Werke des gebürtigen Delmenhorsters Arthur Fitger (1840 bis 1909) für die Sammlung zu sichern. Mit monumentalen Wandbildzyklen stattete dieser überregional gefragte Historienmaler zahlreiche öffentliche Gebäude und private Wohnsitze aus. Die Stadt Delmenhorst besitzt eine der größten Sammlungen an Fitger-Werken in öffentlichem Besitz, die das Depot für die aktuelle Ausstellung verlassen und in der Remise gezeigt werden.

In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, Fitger malte gerade das Hamburger Rathaus und den großen Saal im Oldenburger Schloss aus, zog der junge Fritz Stuckenberg (1881 bis 1944) nach Delmenhorst. Er entschloss sich, nicht in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, der kaufmännischer Direktor der Hansa-Linoleumwerke war, sondern besuchte 1903 die Kunstgewerbeschule in Weimar und ab 1905 die Kunstakademie in München. Fritz Stuckenberg war für knapp 30 Jahre in verschiedene Avantgarde-Bewegungen in Paris und Berlin involviert. Seine Werke wurden international präsentiert, bevor sie 1937 als „entartete Kunst“ aus öffentlichen Sammlungen entfernt wurden.

Dass sein Nachlass heute als Dauerleihgabe an der Städtischen Galerie in Delmenhorst aufbewahrt wird, ist Barbara Alms zu verdanken, die ab 1989 die Städtische Galerie leitete. Mit den Werken des Künstlers kamen auch seine private Kunstsammlung und seine Korrespondenz zu Forschungszwecken an die Galerie. Die Ausstellung kontextualisiert Stuckenbergs Werke in seinen Pariser und Berliner Wirkungskreisen.

Ein letzter Schwerpunkt der Präsentation liegt auf ortsspezifischen Projekten, die vor allem von Dr. Annett Reckert, von 2011 bis 2021 Leiterin der Städtischen Galerie, forciert wurden. Sie lud gezielt junge Künstlerinnen und Künstler ein, Werke für das Haus Coburg zu entwickeln, die sich mit der Stadt und der Geschichte des Hauses beschäftigen.

Kasia Fudakowski konzentrierte sich 2014 beispielsweise auf den moralischen Wertekanon, der in der Familie Coburg tradiert wurde und noch heute an den Inschriften des Hauses ablesbar ist. Fredrik Værslev widmete sich 2019 den Fenstern der Villa, die er ausmessen und im originalen Format nachbauen ließ, um sie als Rahmen für seine Malerei zu nutzen. Durch solche Projekte wird das Haus Coburg selbst Bestandteil der Gegenwartskunst und kann an diversen Orten – in Œuvrekatalogen, auf Kunstmessen, im internationalen Ausstellungsbetrieb oder privaten Kunstsammlungen – auftauchen.

Die Eröffnung der Ausstellung „60 Jahre Kunst im Haus Coburg“ findet am Freitag, 19. November, um 20 Uhr statt. Es sprechen Oberbürgermeisterin Petra Gerlach, Dr. Matilda Felix (Leiterin der Städtischen Galerie Delmenhorst) und Olaf Meenen, Geschäftsführer der LzO Stiftung Kunst und Kultur. Die Ausstellung läuft bis zum 16. Januar 2022 und wird im Rahmenprogramm von Vorträgen begleitet.

Die Termine der Vorträge:

  • 26. November: Dr. Julia Wallner, Bildhauerinnen: Die Erste Generation
  • 2. Dezember: Barbara Alms, Gleißende Gipfel: Malerei zwischen Mythos und Moderne
  • 9. Dezember: Luisa Fink, Jacoba van Heemskerck: Eine Künstlerin im „Sturm“
  • Termin:
    Ausstellungseröffnung
    Freitag | 19. November 2021 | 20 Uhr
    Städtische Galerie Delmenhorst | Fischstraße 30

Nr. 322|21 – Städtische Galerie Delmenhorst

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